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Wussten Sie schon, dass Genossenschaften und deren ideelle Besonderheiten zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO gehören?

Juni, 2017

Die Genossenschaftsidee wurde am 30.November 2016 in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba in die Liste des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen - ein großer Erfolg für die weltweite Genossenschaftsbewegung und für die deutsche Genossenschaftspraxis, die den Antrag einbrachte. Allein in Deutschland gibt es über 22 Mio. Mitgliedschaften in Genossenschaften, weltweit werden über 800 Mio. Mitglieder in über 100 Ländern gezählt. Mit „Genossenschaften“ werden Wirtschafts- und Rechtsformen bezeichnet, die den Prinzipien der gemeinsamen Selbsthilfe (Förderzeck), der Selbstverantwortung sowie der Selbstverwaltung (ausschließlich Mitglieder wirken mit in den Organen Vorstand, Aufsichtsrat und MV) unterliegen. In Genossenschaften hat jedes Mitglied – unabhängig von der Höhe des eingebrachten Kapitals – im Grundsatz eine Stimme, die auf den Mitglieder- oder Vertreterversammlungen zählen. Das Förderprinzip, das auf die Förderung der Mitglieder ausgerichtet ist, sorgt dafür, dass Marktgegenseiten in der Genossenschaft überwunden werden: Mitglieder sind die Wohnungsnutzer und Eigentümer der Wohnungsanlage zugleich, Mitgliedern gehört die Bank und sie sind zugleich die Kunden, den Lesern der taz gehört zugleich die Tageszeitung. Im Jahr 2012 feierte die UN das Internationale Jahr der Genossenschaften. Zu den wichtigen Pionieren des modernen Genossenschaftswesens in Deutschland des 19. Jahrhunderts sind Hermann Schulze-Delitzsch sowie Friedrich Wilhelm Raiffeisen zu zählen. Der liberale Jurist und Politiker Hermann Schulze-Delitzsch konzipierte maßgeblich das Genossenschaftsgesetz sowie vor allem die Genossenschaften für Gewerbetreibende und Handwerker in städtischen Regionen wie auch die Volksbanken. Das ländliche Genossenschaftswesen ist vor allem von dem pietistisch-orientierten Tatchristen und Bürgermeister verschiedener Orte im Westerwald, Friedrich Wilhelm Raiffeisen, geprägt. Noch viele Jahrzehnte währte die Auseinandersetzung über die „richtige“ Genossenschaftskonzeption, welche in der Literatur als „Systemstreit“ eingegangen ist. Heute ist in Deutschland nicht mehr viel von den Unterschieden zwischen Schulze-Delitzsch- und Raiffeisengenossenschaften bemerkbar – gleichwohl sind diese z.B. in Österreich noch sehr deutlich identifizierbar. Beide Konzeptionen – wie auch die Genossenschaftskonzeption der ersten Konsumgenossenschaft der Rochdaler Pioniere durch die International Cooperative Alliance – verbreiteten sich weltweit. und wird von vielen gesellschaftlichen Akteuren aufgegriffen in nahezu allen Branchen. Gerade in jüngster Zeit ist in Deutschland eine deutliche Zunahme der Neugründungen von Genossenschaften zu vermerken. Nicht selten spielt bei diesen Neugründungen starkes ehrenamtliches Engagement eine große Rolle, um Projekte mit bürgerschaftlichem Engagement voranzubringen. Am ISS widmet sich das Seminar für Genossenschaftswesen der Erforschung der Theorie und Praxis von Genossenschaften.